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Gesetzliche Grundlagen Bund

Menschen mit Behinderungen können sich auf alle Rechte und Freiheiten berufen, die auch für Menschen ohne Behinderungen gelten. Das bedeutet, ihre Rechte werden sowohl von allgemeinen Konventionen als auch von der Bundesverfassung geschützt. Die hier im Zentrum stehende UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) dient der Konkretisierung und dem besseren Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Trotz verschiedener Erlasse ist es notwendig, dass die Schweizer Behindertenpolitik weiter gestärkt und die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden intensiviert wird.

Internationales Recht

Die UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK)

2014 hat die Schweiz die UNO-BRK ratifiziert. Wie die meisten internationalen Menschenrechtsabkommen enthält die Behindertenrechtskonvention der UNO (UNO-BRK) justiziable Garantien, die unmittelbar vor Gerichten einklagbar sind, und «programmatische» Verpflichtungen. Programmatisch bedeutet, dass die Staaten verpflichtet sind, alle Massnahmen zu ergreifen, die für die Umsetzung der jeweiligen Rechte erforderlich sind. Meist richten sich programmatische Verpflichtungen an die Parlamente, Regierungen und Verwaltungen von Bund und Kantonen und können nicht direkt vor Gerichten durchgesetzt werden.

Wenn es in einem Menschenrechtsvertrag beispielsweise heisst, dass die Staaten «[…] alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Massnahmen […]» zu treffen haben, um ein bestimmtes Recht umzusetzen, ist dies ein Hinweis darauf, dass die Verpflichtung programmatisch ist. Der oder die Einzelne kann in diesem Fall erst dann die Gerichte anrufen, wenn die nötigen Massnahmen ergriffen worden sind.

Obwohl programmatische Verpflichtungen verbindlich sind, ist ihre Umsetzung in der Praxis oft schwierig. Zum einen sind die Verpflichtungen häufig offen und allgemein formuliert. Zum andern versäumen es Parlamente, Regierungen und Verwaltungen immer wieder, den programmatischen Verpflichtungen zeitgerecht und umfassend nachzukommen.

Auch die Behindertenrechtskonvention enthält zahlreiche programmatische Verpflichtungen. Sie bedarf deshalb der Umsetzung durch die zuständigen Behörden. Bei der Umsetzung der UNO-BRK hat die Schweiz einen grossen Ermessensspielraum. Unterlassen es die zuständigen Behörden aber, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, verletzen sie ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen.

Selbstbestimmtes Leben

Ein zentrales Element der UNO-BRK ist die unabhängige Lebensführung von Menschen mit Behinderungen und deren Einbezug in die Gesellschaft. Selbstbestimmt leben gemäss Art. 19 UNO-BRK heisst, dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, mit gleichen Wahlmöglichkeiten in der Gesellschaft zu leben. Individuelle Wahlmöglichkeiten beziehen sich etwa auf das Wohnen, die Tages- bzw. Beschäftigungsstruktur oder die Unterstützungsleistungen. Weiter geht es darum, Einrichtungen zu öffnen und Dienstleistungen für alle zugänglich zu machen, die soziale, kulturelle, wirtschaftliche und politische Teilhabe zu verbessern und die Mitbestimmung bei Entscheidungen von Behörden auf Bundes- und kantonaler Ebene sicherzustellen.

Die Bestimmungen in Art. 19 UNO-BRK sind weitestgehend programmatischer Natur. So enthält dieser Artikel den Passus: «Die Vertragsstaaten […] treffen wirksame und geeignete Massnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern […]». Die eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Behörden sind damit verpflichtet, zur Verwirklichung eines selbstbestimmten Lebens beizutragen, verfügen aber über einen grossen Gestaltungsspielraum, wenn es um die Wahl der Mittel geht.

Auch die Schweizer Behindertenpolitik hat diese wichtigen Anliegen aufgenommen. Zur Verwirklichung dieser Vorgaben haben die Kantone und der Bund im Juni 2018 das Mehrjahresprogramm «Selbstbestimmtes Leben» (2018–2021) verabschiedet. Das Programm sieht vor, dass Bund und Kantone gemeinsam mit verschiedenen Organisationen und unter Einbezug von Menschen mit Behinderungen die gesetzten inhaltlichen Schwerpunkte verwirklichen.

Landesrecht

Auf Bundesebene bestehen einige Erlasse, welche die unterschiedlichen Lebensbereiche von Menschen mit Behinderungen betreffen und einen Einfluss auf die Verwirklichung des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben haben. Von Bedeutung sind insbesondere:

Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG)

Mit dem Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) aus dem Jahr 2006 werden die Ziele der Eingliederung sowie deren Grundsätze festgelegt. Das Gesetz sieht vor, dass jeder Person mit einer Behinderung, die darauf angewiesen ist und dies wünscht, der Zugang zu einer Institution gewährleistet werden muss, und zwar unabhängig von ihren finanziellen Mitteln, ihren persönlichen Verhältnissen und ihrem Gesundheitszustand. Mit dem Inkrafttreten der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) im Januar 2008 ging die Finanzierung von Wohnheimen, Werkstätten und Tagesstätten von der Invalidenversicherung auf die Kantone über. Damit sind die Kantone seit über zehn Jahren alleine zuständig für die Steuerung, Planung, Aufsicht und Finanzierung der Wohnheime, geschützten Werkstätten und Tagesstätten für Menschen mit Behinderungen. An ihnen ist es deshalb, die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen auf eine Art und Weise zu fördern, die im Einklang mit der UNO-BRK steht.

Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BehiG)​

Zehn Jahre vor der Ratifikation der UNO-BRK ist das eidgenössische Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist die bessere Integration und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Das BehiG dient der Umsetzung der verfassungsmässigen Pflicht von Art. 8 Abs. 4 BV, Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen. Bei der Auslegung des BehiG kann das Diskriminierungsverbot nach Art. 8 Abs. 2 BV als Auslegungshilfe beigezogen werden.

Das BehiG sieht vor, Dienstleistungen, welche zur eigenständigen Bewältigung des Alltags nötig sind, gemeindenah und ausserhalb von Institutionen zur Verfügung zu stellen. Hierzu sollen Hindernisse beim Zugang zu Dienstleistungen von Bund, Kantonen, Gemeinden und Privaten abgebaut werden. Ziel ist eine möglichst weitgehende physische Barrierefreiheit wie auch der Abbau von Barrieren für Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen. In Bezug auf die Schulbildung sind die Kantone verpflichtet, für eine angepasste Grundschulung zu sorgen. Soweit es dem Wohl des behinderten Kindes oder Jugendlichen dient, müssen die Kantone mit entsprechenden Schulungsformen die Integration behinderter Kinder und Jugendlicher in die Regelschule fördern.

Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (ZGB)

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch beantwortet unter anderem Fragen zur Urteilsfähigkeit von Menschen und gewährt im Teil zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht schutzbedürftigen Personen Autonomie und Schutz. Im Fall einer besonderen Schutzbedürftigkeit sieht es flexible Massnahmen vor, die auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht nehmen und der Selbstbestimmung Rechnung tragen. Die gesetzlichen Bestimmungen der sechs ausgewählten Kantone finden Sie unter Kantonale Gesetze.

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